KoLBi - Kohärenz in der Lehrer*innenbildung

Kohärenz durch philosophische Reflexion und Bildung der Kritikfähigkeit

Promotion Theoretische Philosophie und Phänomenologie

Simon Helling

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Zur Person Publikationen und Vorträge

Promotionsprojekt

Titel: Über das Gegebene hinaus – Philosophische Modelle transzendierender Bildung bei Fichte, Hegel, Adorno und Heydorn

Abstract: Lehrende, die sich ein kohärentes Verständnis ihres Fachs aneignen wollen, um dieses vor Schülern zu vertreten, müssen angeben können, wie die Voraussetzungen des Fachs im allgemeinen Selbstbewusstsein gründen. Angehende Lehrer sollten daher auftauchende Inkohärenzen sich nicht einfach ausreden lassen, sondern auf ihrem Eigensinn beharren, der nach Hegel sagt: „Ich sehe das nicht ein“, genauer: „Ich verstehe nicht, wie sich jenes Theorem aus den Grundlagen der Wissenschaft ergibt, die ich eingesehen habe.“ Gelingt die Herstellung dieses Zusammenhangs, löst sich das Beharren auf und das Individuum bildet sich. Erst dies ermöglicht die Kohärenz aller möglichen Inhalte des Wissens und damit auch die des einzelnen Fachs. Dennoch kann das sich bildende Individuum auf Inkohärenzen stoßen, die sich nicht auflösen lassen. Die begründete Darstellung dieser nicht aufzulösenden Inkohärenzen ist rationale Kritik. Das Individuum wird zur Kritik fähig, weil es sich der Möglichkeit kohärenten Wissens bewusst ist und diese Kohärenz von jedem Gegenstand fordert. Insofern fassen sich die Verhältnisse von Kohärenz und Inkohärenz in der Leitfrage des Dissertationsprojekts zusammen, die lautet: Wie wird es für sich Bildende möglich, begründet an gegebenen Vorstellungen Kritik zu üben? Welche (philosophisch-erkenntnistheoretisch zu bestimmenden) geistigen Prozesse müssen dafür vor sich gehen? Eine Bildung, in der diese Prozesse stattfänden, wäre transzendierende Bildung. Die Frage soll mittels Kommentierung und Kritik von Autoren der klassischen deutschen Philosophie wie der kritischen Theorie beantwortet werden, wobei mit dem jeweiligen Autor ein Aspekt der Frage im Vordergrund und modellhaft behandelt werden soll:

  • bei Fichte der Begriff des vernünftigen Selbstbewusstseins und das Verfahren der reflektierenden Abstraktionen
  • bei Hegel der Begriff des Widerspruchs und dessen Ambivalenz im Begriff der Herrschaft
  • bei Adorno die Frage nach der Verinnerlichung von Herrschaft und mit dieser einhergehend die nach der Möglichkeit, die Entstehung autoritären Verhaltens zu verhindern
  • bei Heydorn die Dialektik von Autonomie der Bildung und gesellschaftlicher Abhängigkeit der Bildungsinstitutionen.

Die so dargestellten Prozesse sind an den von Heydorn gewählten Modellen des ökonomischen und des ästhetischen Bildungsentwurfs sowie der philosophischen Bewusstseinsbildung zu exemplifizieren.

Lehrformat

Das zu erprobende Lehrformat soll Studierenden die Möglichkeit geben, die von ihnen studierten fachwissenschaftlichen Inhalte auf ihre allgemeinen Voraussetzungen hin zu befragen, um so zu erfahren, wie die gelernten Inhalte im allgemeinen Selbstbewusstsein gründen und welcher bildende Gehalt ihnen daher zukommt. Hierfür bieten sich insbesondere Texte der philosophischen Tradition an, deren Aktualisierung und Bezug auf das eigene Schulfach gemeinsam mit den Studierenden erarbeitet werden soll. Bezüglich der Inhalte des Schulfachs Musik ist hierfür insbesondere auf die Arbeiten Theodor W. Adornos zurückzugreifen. Zugleich sollen die so erarbeiteten Grundlagen auf ihre Realisierungsbedingungen befragt werden. Diese Frage soll in zwei Richtungen gehen: Zum einen soll herausgefunden werden, unter welchen Bedingungen das im ersten Schritt als kohärent erfahrene Wissen gelehrt werden kann; zum anderen, ob die gegebenen institutionellen und curricularen Bedingungen der Schule einer kohärenten Wissensvermittlung adäquat sind.

Lehrveranstaltungen

WiSe20/21: Wie ist über Bildung nachzudenken? – Didaktik und Erkenntnistheorie

Als Anforderungen an zukünftige Lehrerinnen und Lehrer werden in Studium und Referendariat bestimmte didaktische Theorien zugrunde gelegt, an denen sich jene orientieren sollen und nach denen sie bewertet werden, wie die von Wolfgang Klafki, Hilbert Meyer oder dem pädagogischen Konstruktivismus. Dabei haben die pädagogischen Diskussionen und ihre praktische Anwendung kaum Notiz genommen von der grundsätzlichen Kritik, dass die Modifikationen, die die Didaktik mit ihrem Gegenstand vornimmt, seine Erkenntnis eher verhindert als befördert. Im Seminar soll diese Kritik, wie sie etwa von Christoph Türcke, Andreas Gruschka oder Ludwig Pongratz geäußert wurde, Gegenstand der Diskussion sein sowie die Überlegung, ob ein anderes Nachdenken über Bildung möglich ist, das auf die Erkenntnistheorie der klassischen deutschen Philosophie zurückgreift. Durch eine Rahmenaufgabe sollen die Studierenden dazu angeregt werden, die Inhalte Ihres Faches durch die allgemeinen Modelle, die dem Bereich der Bildungswissenschaften zuzuordnen sind, als Fachdidaktik zu konkretisieren und so Kohärenz zwischen den an der Lehrerbildung beteiligten Bereiche herzustellen.

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