Kohärenzförderung als Professionalisierung. Zur Bedeutung pädagogischer Urteilskraft für die Lehrkräftebildung
Promotion Allgemeine Erziehungswissenschaft/Theorie der Bildung

Pia Rojahn, M.A.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
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S.14.13
Zur Person Publikationen und Vorträge
Promotionsvorhaben
Arbeitstitel: Hannah Arendts Pädagogik
Abstract: Die Auseinandersetzung mit Hannah Arendts Werk eröffnet eine Perspektive auf die pädagogischen Grundbegriffe, die die Eindeutigkeit von Kohärenz im Sinne von Zugehörigkeitszuschreibungen in Frage stellt. Durch die Neuverhandlung von Nationalgrenzen und die aktuelle Entgrenzung menschlicher Kontakte durch Digitalisierung werden Zugehörigkeiten zunehmend fraglich. Dies hat Auswirkungen auf Bildungserfahrungen und somit für die Begründung von Lehrkräftebildung und Bildungsinstitutionen. Ziel der Forschungsarbeit ist die bildungstheoretische Fundierung der Lehrkräftebildung, welche von den Konzepten Natalität, Urteilskraft und Zugehörigkeit ausgeht.
Lehrformat
Die Bedeutung der Urteilskraft für die Professionalität von Lehrkräften steht im Zentrum des Lehrformats. Sie ist die vermittelnde und verbindende Fähigkeit, die den Lehrkräften eine professionelle Haltung ermöglicht. Urteilskraft wird hier als ein übergreifendes Vermögen verstanden, dass das Kennzeichen der gebildeten Lehrperson ist. In den Lehrveranstaltungen wird den angehenden Lehrkräften die Möglichkeit eröffnet, in Auseinandersetzung mit pädagogischen Grundbegriffen, ihre Urteilskraft zu schulen. Der rote Faden, der die verschiedenen Seminare miteinander verknüpft, ist die Frage nach den (In)kohärenzen, die sich für Lehrpersonen im Schulkontext – der immer im Spannungsfeld zwischen Pädagogik und Politik steht – ergeben.
Lehrveranstaltungen
SoSe 2021: Education and Belonging in a Hostile World // Bildung und Zugehörigkeit in einer feindlichen Welt
Die Veranstaltung steht im Kontext des Projekts „Kohärenz in der Lehrer*innenbildung“ (KoLBi) und thematisiert die Überschneidungen von englischer Literaturwissenschaft und Bildungstheorie/Bildungsphilosophie im Kontext professionalisierender Lehrer*innenbildung.
Das Seminar teilt sich in vier Phasen:
- Die absolut feindliche Welt unter Bedingungen totaler Herrschaft: In Auseinandersetzung mit Hannah Arendts Artikel “Ideology and Terror“ (1953) werden einige Kernelemente Ihres Werks The Origins of Totalitarianism (1951) nachgezeichnet und analysiert. Hierbei steht vor allem das Verständnis einer Welt, die den Menschen, ihrer Lebensweise und ihren Lebensbedingungen gegenüber feindlich geworden ist und in eine Verlassenheit mündet, im Zentrum. Im Kontrast hierzu werden Fragen nach der Zwischenmenschlichkeit und Sozialität von Bildung aufgeworfen.
- Der Weltverlust in der Spätmoderne: In dieser Seminarphase wird Arendts Typologie menschlich-praktischer Tätigkeitsformen (arbeiten, herstellen, handeln) einleitend vorgestellt (vgl. The Human Condition, 1958) und mit Bezug auf ihren Text “Tradition in the Modern Age“ (1954) eingehender diskutiert. Es werden Fragen nach der Möglichkeit eines Gemeinsinns in einer entfremdeten Welt sowie der Bedeutung des ‚animal laborans‘ (Arbeitstier) für gegenwärtige Konzepte des Lernens und Lehrens in den Mittelpunkt gestellt.
- Bildung/Erziehung und (Un)Zugehörigkeit: In dieser Phase des Seminars werden das Konzept des Außenseitertums in Arendts Aufsatz “The Jew as Pariah: A Hidden Tradition” (1944) sowie ihre Überlegungen zu Generation und Krise in “Die Krise in der Erziehung” (1958) bildungstheoretisch analysiert. Hierbei wird die Bedeutung von (Un)Zugehörigkeit für Erziehungs-/Bildungsprozesse sowie bildungstheoretische Konsequenzen einer harschen Trennung von Pädagogik und Politik thematisiert.
- Philosophisch informierte Analyse von Last Ones Left Alive (2019): In der letzten Seminarphase liegt der Fokus auf der philosophisch informierten und literaturwissenschaftlichen Analyse des dystopischen Romans Last Ones Left Alive (2019) von Sarah Davis-Goff. Die zuvor herausgearbeiteten Arendtschen Konzepte werden exemplarisch anhand einiger Szenen des Romans veranschaulicht und weiterreichend problematisiert.
WiSe 20/21: Schule als Ort der Erziehung?
In dem Seminar setzen wir uns mit den Grundbegriffen der Erziehungswissenschaft im Zusammenhang mit der Institution Schule auseinander. Im Mittelpunkt des Seminars steht die Frage danach, inwiefern die Schule ein Ort der Erziehung, der Sozialisation und/oder der Bildung sei und wie diese je unterschiedlichen Auffassungen das Verständnis dieser Institution bedingen. Die Schule kann als Ort verstanden werden, der auf das politische Leben in der Gesellschaft vorbereitet. Gleichzeitig kann sie als Schonraum zum Schutz vor der Gesellschaft konzipiert werden. Die Lehrpersonen müssen sich also kontinuierlich mit dem Spannungsfeld von politischen und pädagogischen Anforderungen auseinandersetzen. Sie sind Vertreterinnen der Gesellschaft vor der Schülerschaft und gleichzeitig durch die Schüler*innen fortwährend mit der Infragestellung der bestehenden Gesellschaftsordnung konfrontiert. In Auseinandersetzung mit ausgewählten Texten von John Dewey stellen wir uns im Seminar Fragen nach der politischen Dimension und der gesellschaftlichen Funktion des Lehrberufs.